Siemens realisiert zukunftsfähiges Laborkonzept

Flexibilität und Effizienz durch Segmentierung

Mit ihrem Gebäudekonzept bietet die Life Science Factory (LSF) in Göttingen nicht nur ideale Bedingungen für junge Biotech-Start-ups. Der von der Sartorius AG initiierte und vom Land Niedersachsen geförderte Start-up Hub erlaubt auch einen Blick in die Zukunft von Laboren. Diese erfordern nicht zuletzt ganz neue gebäudetechnische Lösungen, wie sie Siemens für diesen Neubau zum Teil erstmals realisiert hat.
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Bild: Life Science Factory

In der Göttinger Life Science Factory treffen 150 Jahre Branchen-Erfahrung auf die Innovationskraft junger Biotech-Unternehmen: Der 1870 gegründete Pharma- und Laborzulieferer Sartorius fördert mit dem Neubau am Heimatstandort Göttingen seit 2022 Forschung und Entwicklung von Bio- und Medizin-Technologien. Als sogenannter Inkubator (wörtlich: Brutkasten) bietet die LSF auf 3.300m² Fläche Start-ups und Forschenden die idealen Bedingungen zum Aufbau eines Business. Dazu zählen nicht nur offene Büros, Konferenzräume und ein Mentoring- und Veranstaltungsprogramm, sondern auch variabel nutzbare und ausgestattete Laborbereiche in den oberen beiden Gebäudestockwerken sowie eine Prototypenwerkstatt.

Flexible Nutzung als Herausforderung

Flexible Nutzungskonzepte halten unter Stichworten wie ‚Shared Lab‘ und ‚Flex Lab‘ zunehmend Einzug in Life-Science-Umgebungen. Gleichzeitig steigt das Tempo in der Laborbranche. Dadurch ergeben sich neue Anforderungen an das Laborlayout. Experimente und Prototypenbau, aber auch Teamgrößen und ganze Geschäftsmodelle wandeln sich in immer kürzeren Intervallen. Labore sollen sich vor diesem Hintergrund möglichst flexibel, schnell und einfach an neue Rahmenbedingungen anpassen lassen. In einem Inkubator wie der LSF, wo potenzielle Nutzerinnen und Nutzer ihre individuell für sie eingerichtete Laborfläche schon nach wenigen Tagen beziehen und nach ihren Vorstellungen nutzen können, zählt diese generelle Anforderung umso mehr. Als zweiter Aspekt spielt die nachhaltige Gestaltung des Laborbetriebs analog zu vielen anderen Branchen eine wichtige Rolle. Vorrangig geht es dabei um den effizienten Einsatz von Ressourcen, denn Labore haben üblicherweise einen sehr hohen Energieverbrauch. Er liegt üblicherweise fünf- bis zehnmal höher als in Bürogebäuden. Die labor- wie auch gebäudetechnischen Anlagen sollen deshalb möglichst nur dann laufen, wenn sie wirklich benötigt werden, und dann auch nur so viel Energie verbrauchen wie unbedingt nötig. Räumlichkeiten und Anlagen sollten deshalb z.B. bedarfsgerecht und effizient geregelt und gesteuert werden.

Die variabel nutzbaren Laborbereiche stellen besondere Anforderungen an das Laborlayout.
Die variabel nutzbaren Laborbereiche stellen besondere Anforderungen an das Laborlayout.Bild: Siemens AG

Umfangreiche Vorschriften

Bei aller Veränderung bleiben die hohen Sicherheitsstandards und die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften selbstverständlich auch im Labor der Zukunft gültig. Das betrifft im Hinblick auf die Gebäudetechnik vor allem die Zertifizierungen nach DIN EN14175-6 (für Laborabzüge), DIN1946-7 (für Laborräume) und EN ISO52120-1 (Gebäudeenergieeffizienz). Und nicht zuletzt sollen zukunftsfähige Labore noch mehr Komfort und ideale Arbeitsbedingungen gewährleisten. Im Fall der neu zu errichtenden LSF kam zu diesen anspruchsvollen Zielen eine sehr kurze Planungs- und Realisierungszeit als zusätzliche Herausforderung hinzu. Vor diesem Hintergrund entschieden sich die Verantwortlichen bei Sartorius für Siemens als Partner für die gebäude- und lufttechnische Ausstattung. Für das aktuelle Projekt nahm Siemens als Zulieferer für die Laborausstattung noch den Allgäuer Laborbau-Experten Hermann Waldner GmbH & Co. KG mit ins Boot. Sartorius und Siemens verbindet in anderen Bereichen bereits eine Zusammenarbeit. Für Siemens sprachen aber noch weitere Argumente: So war das Unternehmen in der Lage, die einzelnen Gewerke bis hin zu den Digestorien (Laborabzügen) miteinander zu vernetzen und dies mit einem eigenen Portfolio. Zusätzlich ermöglicht das Konzept ein cloudbasiertes Monitoring von Energiebilanz und -verbrauch.

Nutzer werden am Bediengerät des Abzugs darauf hingewiesen, wenn ein unsicherer Zustand eintritt oder der Luftverbrauch unnötig hoch ist.
Nutzer werden am Bediengerät des Abzugs darauf hingewiesen, wenn ein unsicherer Zustand eintritt oder der Luftverbrauch unnötig hoch ist.Bild: Siemens AG

Lösungen für hohe Flexibilität

Im gesamten Gebäude der LSF kommt die gewerkeübergreifende Managementplattform Desigo CC zum Einsatz. Das System bildet auch einen zentralen Baustein der von Siemens entwickelten Labor-Gesamtlösung. Um die erforderliche hohe Flexibilität zu gewährleisten, sind das Labor und seine Komponenten (wie Abzüge, Raumsteuerung, Primäranlagen etc.) vollständig modular aufgebaut. Diese Segmentierung entspricht auch dem Systemaufbau der Gebäudeautomation mit Desigo CC. Anlagen für Heizung, Lüftung, Klima (HLK) und Drittsystemkopplungen – wie Druckluft oder Aufbereitungsanlagen – sind über offene Desigo PX Automationsstationen angebunden. Außerdem besteht eine Anbindung an das Sartorius-eigene BIM-System. Zukunftssichere Standard-Schnittstellen – wie z.B. Bacnet und Modbus TCP – ermöglichen bei Bedarf eine Erweiterung der installierten Basis. Anpassungen am Gebäude können jederzeit mit der installierten Basis nachgeführt werden: Da die Räume in Segmente unterteilt sind, lassen sie sich jederzeit flexibel an neue Voraussetzungen und Bedürfnisse anpassen. Wenn also z.B. mehr Laborfläche benötigt wird, kann der zusätzliche Bereich in der Managementstation Desigo CC per Drag&Drop und ohne weitere Programmierung dem neuen Nutzer zugeordnet werden.

Energieeffizienz und Nachhaltigkeit

Neben Flexibilität ermöglicht das Siemens-Konzept auch den ressourcenschonenden Umgang mit Energie. Die Voraussetzung dafür schafft Desigo CC mit dem laborspezifischen Controller Desigo CET. Dieser erlaubt die Messung, Überwachung und bedarfsgerechte Regelung von Luftvolumenströmen sowie Raumdruckwerten und übernimmt darauf abgestimmt die Steuerung der Digestorien. Dabei gewährleistet die CET-Steuerung eine Druckregelung in unter 100ms und stellt so die in Laboren geforderte gerichtete Überströmung nahezu in Echtzeit sicher. Nutzer werden am Bediengerät des Abzugs darauf hingewiesen, wenn der Luftverbrauch unnötig hoch wäre. Sie können aktiv den Luftverbrauch reduzieren und den Energieverbrauch senken. Außerdem ist die intelligente Regelung des Lüftungssysteme abgestimmt auf Raumnutzungspläne bzw. die Präsenz der Nutzer. Ebenfalls integriert ist die Raumsteuerung mit Desigo Room Automation (DRA). Sie sorgt für eine automatische und bedarfsgerechte Licht- und Verschattungssteuerung nach Sonnenstand, Außendämmerung bzw. Jahreszeit. Außerdem trägt ein dauerhaftes Monitoring des Energieverbrauchs zur Energieeffizienz bei. Die Software Desigo Powermanager erfasst und visualisiert die Kennwerte aus Siemens-Messgeräten und Drittzählern. Gleichzeitig ist sie mit der cloudbasierten Energiedatenmanagement-Plattform Siemens Navigator gekoppelt und bildet so ein Mess- und Zählkonzept gemäß der Energiemanagement-Norm ISO50001. Über eine optimierte CO2-Bilanz und reduzierte Betriebskosten hinaus erfüllt die LSF auch die Voraussetzungen für die angestrebte Gold-Zertifizierung durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB).

Druckregler (im Hintergrund, im Vordergrund die Sicherheitsbeleuchtung) gewährleisten eine gerichtete Überströmung.
Druckregler (im Hintergrund, im Vordergrund die Sicherheitsbeleuchtung) gewährleisten eine gerichtete Überströmung.Bild: Siemens AG

Komfort und Sicherheit

Im Rahmen des Steuerungskonzepts werden unsichere Laborzustände über Sensoren erkannt und dem Nutzer über Raumbediengeräte direkt an den Laborabzügen signalisiert. Für hohe Sicherheitsstandards sorgt zudem ein Sinteso FS20 Brandmeldesystem von Siemens, das ebenfalls auf Desigo CC aufgeschaltet ist. Vor unberechtigtem Zutritt schützt ein Einbruchmeldesystem Transliner CIC 100. Für den Raumkomfort und passende Arbeitsbedingungen sorgt das Raumautomationssystem Desigo DRA durch die bedarfsgerechte und intelligente Steuerung von Heizung, Kühlung, Verschattung sowie der Beleuchtung inkl. Sicherheitsbeleuchtung (bei Stromausfall). Darüber hinaus wurde ein Human-Centric-Lighting-Konzept (HCL) umgesetzt. Dieses steigert Wohlbefinden und Produktivität, indem eine intelligente Beleuchtungssteuerung das natürliche Tageslicht simuliert und die Lichtverhältnisse bzw. -farbe automatisch an den Biorhythmus der Gebäudenutzer anpasst.

Fazit und Ausblick

Nicht zuletzt durch die gute Zusammenarbeit mit den internen Planungsabteilungen und den externen Planern von Rücken & Partner konnte Siemens in neunmonatiger Bauzeit ein umfassendes Laborkonzept für die LSF umsetzen, das Flexibilität, Energieeffizienz, Sicherheit und Komfort verbindet. Seit Anfang 2022 ist die LSF planmäßig in Betrieb. Und künftiges Wachstum ist auch gebäudetechnisch schon vorprogrammiert: Zukunftssichere Schnittstellen garantieren jederzeit eine mögliche Erweiterung der installierten Basis.

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